Farbzeichnung einer blonden Frau mit blauer Kette

Demenz, Andachten und Gottesdienste

Porträt freundliche junge Frau, Dr. Julia Arnold

Pfarrerin Dr. Julia Arnold, Jahrgang 1976, hat Evangelische Theologie und Christliche Publizistik studiert. Sie begleitet seit 2012 Menschen in Altenpflegeheimen seelsorgerlich und feiert in Kapellen, spirituellen Räumen und auf Pflegestationen Andachten und Gottesdienste unter anderem mit dementiell veränderten Menschen. Als Erwachsenenbildnerin begleitet sie Ehrenamtliche und schult sie für ihre Einsätze in der Seelsorge. 2023 wurde sie mit der Doktorarbeit „Geistliche Zusammenkünfte im System Altenheim – Ergebnisse und Konsequenzen einer empirischen Studie“ promoviert.

Den gesamten Text dieser Seite mit praktischen Hinweisen zur Gestaltung von Andachten und Gottesdiensten mit demenziell veränderten Menschen finden Sie HIER als Download.


Demenz, Andachten und Gottesdienste

Motivation

Demenziell veränderte Menschen müssen damit leben, dass ihnen Vieles entgleitet. Für sie, ihre Angehörigen und alle, die Gottesdienst feiern ist es eine große Freude, zu erleben, wie sie in Andachten und Gottesdiensten in bekannte Lieder einstimmen und beispielsweise „Großer Gott wir loben dich ...“ mitsingen - die Liturgie mit allen Sinnen mitfeiern.

Planung - Hinkommen - Teilnehmen

 

Es besteht ein Netzwerk aus Helfenden durch die Senior:innenarbeit im Quartier, die ambulante Pflege, und durch Altenpflegeheime, so dass Menschen mit dementiellen Veränderungen betreut werden, ob mit oder ohne Angehörige, und zum Gottesdienst und wieder nach Hause gebracht werden.

 

Räume
Bildrechte
Bilddatenbank Fundus
  • Die Zugänge sind barrierefrei.
  • Der Andachts- bzw. Gottesdienstraum ist aufgeräumt und wird besonders hergerichtet (z. B. Mikrophone, Beleuchtung, weiße, gebügelte Tischdecke, Kerzen, Blumen).
  • Es gibt Platz für Rollatoren und Rollstühle.
  • Die Atmosphäre ist freundlich, andächtig und feierlich.
     
Gottesdienstordnung

 

Die Musik ist vertraut.

Die Kirchenorgel kommt möglichst zum Einsatz.

Es werden bekannte (Kirchen-) Lieder (meist genügt die 1. Strophe - auch mehrfach) gesungen wie:

  • „Großer Gott wir loben dich“
  • „So nimm denn meine Hände“
  • „Lobe den Herren, den mächtigen König der Ehren“
  • „Von guten Mächten wunderbar geborgen“
  • „Bewahre uns Gott, behüte uns Gott“
  • „Vom Aufgang der Sonne, bis zu ihrem Niedergang“ (nicht als Kanon)
  • „Lobsingt ihr Völker alle, lobsingt und preist den Herrn“
     
Abendmahl

 

Bildrechte
Bilddatenbank Fundus

Die wichtigsten Stücke sollten möglichst gesungen werden, wie die Einsetzungsworte und das „Christe, du Lamm Gottes“.

Die Teilnehmenden bleiben an ihrem Sitzplatz. Die Sitzordnung bietet möglichst genug Raum, um zwischen den Reihen hindurchzugehen.

Als Darreichungsform bietet sich das leichte Eintauchen (Intinktion) der Hostien in Traubensaft an, die direkt auf die Zungen gelegt werden. Der Kelch wird von einer anderen Person gehalten. So genügt in der Regel das Desinfizieren der Hände der austeilenden Personen zu Beginn und ggf. das kurze Nachdesinfizieren bei Berührungen.
 

Geeignete Texte

 

Vaterunser

Apostolisches Glaubensbekenntnis

Segen

  • zu Beginn: „Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.“
  • am Ende der Aaronitische Segen (möglichst mit Segensgeste): „Der Herr segne dich und behüte dich. Er lasse sein Angesicht leuchten über dir. Er erhebe sein Angesicht auf dich und gebe dir + Frieden.“ Amen. (vgl. 4. Mose 6,24-26)
  • Bei Einzelsegnungen sollte mit Berührungen (wie einem Kreuzzeichen in die Handinnenfläche(n) oder sogar auf die Stirn) zurückhaltend umgegangen werden. Der Blickkontakt beim Segnen ist dafür umso wichtiger.

Konfirmationssprüche (in örtlich vertrauter Übersetzung) wie:

  • Psalm 23 „Der Herr ist mein Hirte“
  • „Nun aber bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei, aber die Liebe ist die größte unter ihnen“ 1. Korinther 13,13
  • "Ich will dich segnen (und dir einen großen Namen machen) und du sollst ein Segen sein" 2. Mose 12,2
  • Der Herr ist mein Licht und mein Heil; vor wem sollte ich mich fürchten? (Der Herr ist meines Lebens Kraft; vor wem sollte mir grauen?) Psalm 27,1
     
Sprache und Lesungen

 

  • Lesungstexte über mehrere Sätze (die eher die Ausnahme bilden) werden nicht vorgelesen, sondern in einfacher Sprache kurz und prägnant nacherzählt.
  • Es besteht Blickkontakt zu den Teilnehmenden.
  • Gestik, Mimik und Körperhaltung sind natürlich und unterstreichen das Gesagte.
  • Die Mikrophone sind vor der Feier getestet und optimal eingestellt.
     
Predigt

 

Mit einfachen, aber nicht simplifizierten Worten sind Lebensthemen wie Trauer und Freude, Schuld und Vergebung, Tod und ewiges Leben Thema.

Die predigende Person beschreibt, wie sich ihr der Bibeltext in ihrer Lebenswelt als „Wort Gottes“ erschlossen hat.
 

Grundhaltung und Gefühle

 

Die Wertschätzung gilt den alten Menschen gegenüber unabhängig von Lebensleistung, Gesundheitszustand und Aussehen. Sie drückt sich aus in der grundsätzlich wohlwollenden Haltung: „Du wirst gesehen.“

Der Respekt vor dem gelebten Leben alter Menschen besteht, auch wenn diese gebrechlich oder krank sind.

Die Individualität und Selbstbestimmtheit alter Menschen wird geachtet und sie werden aufgrund ihres Alters oder ihrer Gebrechlichkeit nicht als defizitär oder als hilfsbedürftige Objekte behandelt oder bemuttert, sondern wie alle als heilsbedürftige Menschen ernst genommen.

Differenzerfahrungen, wie sich fremd oder anders zu fühlen, werden benannt.

Negative Gefühle wie Enttäuschung, Wut und Trauer dürfen zum Ausdruck kommen.
 

Störungen

 

Unruhe wird (nur) bis zu einem gewissen Grad geduldet.

Das Bedürfnis der meisten Teilnehmenden auf Wahrung einer ruhigen und geordneten Atmosphäre wird geachtet. Falls nötig, sollten Menschen, die dauerhaft stören, mit einer Betreuungsperson den Raum verlassen (können), bis sie sich beruhigt haben.
 

Team

 

Neben der Person, die für die Liturgie verantwortlich ist und die wenn irgend möglich Amtskleidung trägt, z. B. (Prädikant:innen-)Talar mit Beffchen, unterstützt mindestens eine weitere Person, die im Umgang mit alten Menschen vertraut ist, die Feier der Andacht oder des Gottesdienstes.